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Aktuelles:
In der Sendung „Colonia Dignidad - Gefangen in einer Sekte“ berichten Ulla Fröhling und Gudrun Müller über die deutsche Auswanderersekte in Chile.
Eine Stunde Sendezeit zu diesem brisanten Thema bei „Planet Wissen“ ist mehr als jede Talkshow bieten kann. Zusammen mit Moderatorin Andrea Grießmann suchen wir Antworten auf die Fragen: Was für ein Mensch war Sektenführer Paul Schäfer? Wer gab ihm die Macht? Und warum unterwerfen sich Menschen destruktiven Sekten? Warum fallen sie immer wieder auf Seelenfänger herein? Eine Frage, die gerade jetzt wieder aktuell ist.
Wir haben die ausführliche Ankündigung auf unsere Archivseiten gestellt.
Wer die englischen Artikel zum Film nachlesen will, findet sie hier:
The Colony: Chile's dark past uncovered
(`New York Times', 8.7.2013)
sz.de/1.1586642
Letzte Änderung am 08.11.2016 um 14:17 Uhr.
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NEUES ZUR COLONIA DIGNIDAD
8.3.2014 Neugeborene verscharrt
Knochen neugeborener Säuglinge auf Gebiet der Villa Baviera gefunden, berichtet die "Santiago Times".
Hört denn das Grauen der früheren Colonia Dignidad nie auf? Man weiß, daß Jungen und Mädchen gequält, gefoltert, sexuell misshandelt und vergewaltigt wurden. Man weiß, dass junge Frauen zwangssterilisiert wurden.
Gab es auch Zwangsabtreibungen?
Wer etwas darüber weiß, den/die bitte ich, mir das mitzuteilen! Gern vertraulich.
Ulla Fröhling.
Mehr über die aktuellen Funde:
http://santiagotimes.cl/skeletons-newborn-babies-found-near-nazi-commune/
26.2.2014 Menschenknochen
Auf de Gelände der Colonia Dignidad entdeckten Bauarbeiter Menschenknochen und einen Schädel, vermutlich mit Einschußloch. Dazu Wolfgang Müller: "Vielleicht war das in der Nähe der Steinbrech-Anlage. Die Kolonie hat Schotter hergestellt und als Straßenbelag verkauft. Manchmal war was darunter, was verschwinden sollte." Schon früher waren Massengräber gefunden worden.
Mehr zu den neuen Funden: www.spiegel.de/panorama/justiz/sekten-siedlung-a-955726.html
www.dw.de/menschenknochen-auf-colonia-dignidad-gel%C3%A4nde-ausgegraben/a-17457074
8.2.2014 Geheimarchiv
1961 flüchtete Paul Schäfer aus Deutschland. Gesucht mit internationalem Haftbefehl wegen Kindesmißbrauch fand er Unterschlupf in Chile. Dort verwirklichte seinen Traum einer pädosexuellen Kolonie. Paul Schäfer war ein Päderast, der allem Anschein nach nie versuchte, seine Veranlagung zu kontrollieren. Er mochte, was er tat. Er setzte alles daran, präpubertäre Jungen mißbrauchen und vergewaltigen zu können, und Mädchen zu versklaven.
Um das ungehindert und ungestraft ausleben zu können, ließ er ein Archiv mit Erpressungsmaterial über einflußreiche Personen aus Politik, Militär, Wirtschaft und Kirche anlegen. Diese 39.000 Schriftstücke, Karteikarten und Folterprotokolle hat die chilenische Polizei seit über zehn Jahren unter Verschluß. Folteropfer und Angehörige Verschwundener verlangen, dass dieses Archiv geöffnet wird.
Mehr dazu: amerika21.de/2014/02/97116/colonia-dignidad-archiv
Das Gemisch aus banalem Alltag und extremer Grausamkeit kam mir sehr nahe in Gesprächen mit Zeitzeugen der Colonia Dignidad wie Wolfgang und Gudrun Müller. Dazu hier eine Szene aus meinem Buch, Kapitel "Liebe in den Zeiten der Folter" (S. 223/4):
Sommer 1974: "Heute holst du den Bus ab", sagt Paul Schäfer zu Willi Malessa und erklärt ihm, woher und wohin. Bis zu einer bestimmten Stelle auf dem Fundo soll er fahren, dann aussteigen, den Bus an einen anderen Fahrer übergeben und warten, bis der Bus zurückkommt. "Um alles andere kümmerst du dich nicht", sagt Schäfer.
Im Bus ist es dunkel, als Willi ihn übernimmt, Licht wird nicht gemacht. Menschen sind drin, das merkt Willi. Beim Halt auf dem Fundo steht schon Gerhard Mücke, um den Bus zu übernehmen. Ohne ein Wort schwingt er sich hinters Steuer und fährt los.
Willi wartet. Dann hört er Gewehrsalven. Als der Bus zurückkommt, ist kein Mensch mehr drin. Außer Gerhard Mücke. Da sagt Willi Malessa: "Nicht noch einmal." Auch wenn er den Auftrag kriegt, er wird sich weigern, so einen Bus noch einmal zu fahren.
Von all dem weiß Gudrun nichts. Aber sie weiß, dass unter dem Wohnbereich ein Schacht ist, wo sie sich verstecken können, wenn Gefahr droht. "Wenn die Russen kommen", sagt Schäfer, "dann verschwindet ihr da unten."
Und Wolfgang weiß, dass unter der Autohalle ein Waffenlager ist. Die Pistolen liegen im Freihaus hinter dem Pavillon. Pistolen und Munition. Bei Schießübungen und Einsätzen ist auch seine Gruppe dabei und holt sich Pistolen. Später lernen sie, mit Maschinenpistolen umzugehen. Sie lernen auch, sie zu bauen. Eine interessante neue Beschäftigung. Deutsche und israelische Maschinenpistolen bauen sie nach.
Darüber sprechen Gudrun und Wolfgang nicht, wenn sie sich sehen. Das ist eine andere Welt. Meistens bleibt sowieso nur wenig Zeit, sich anzuschauen, ein paar Worte zu wechseln. Sich zu berühren, sich bei der Hand zu nehmen. Wenn es möglich ist, sich kurz zu umarmen, welch ein Geschenk.
Heinrich Neufeld aus der Ukraine spricht perfekt russisch. Er ist Dolmetscher. Heinrich sitzt unten im Kartoffelkeller bei den Wachen. Wenn er nichts zu tun hat, stellt er Schuhputzbürsten her. So viele Bürsten, dass er sie verschenkt. Auch Wolfgang bekommt welche. Die hat er heute noch.
Und wenn Heinrich etwas zu tun hat?
Wenn er etwas zu tun hat, glaubt Wolfgang, dann übersetzt er, was die Russen, die sie geschnappt haben, sagen.
Nachdem sie gefoltert wurden.
Gefoltert wird im Kartoffelkeller. Oben drüber sind Schlafräume. Oben hört man die Schreie.
Als Heinrich mal etwas zu tun hat, kriegt er mit, was sie mit den Russen machen.
"Was für scheußliches Essen die Russen kriegen", sagt er zu Wolfgang. "Was wir nicht mehr essen, das kriegen die." Als ob es nur um das Essen ginge.
Viel später, als alles vorbei ist, zieht die Gruppe der Komaros in diese Räume. Einige sind froh, endlich ein eigenes Zimmer zu haben. Egal, wie eng es ist. Manchmal ist es sehr eng. Eine Zeit lang muß Gudrun mit fünfzehn anderen Frauen in einem Raum schlafen.
Diese Seiten ergänzen das Buch
UNSER GERAUBTES LEBEN. Sie geben Einblicke in das Leben der Menschen unter dem Einfluß des Laienpredigers Paul Schäfer.Wer 1948-1961 dem Päderasten und Jugendpfleger Paul Schäfer verfiel, wer 1961 folgte, als Schäfer -wegen Kindesmißbrauch angezeigt- nach Chile flüchtete, und wer dort mithalf, die Sektensiedlung Colonia Dignidad" aufzubauen, lebte isoliert in einem Lager, wo einzig das Wort Schäfers galt.
Ob sie es wußten oder nicht alle in dieser fast autarken Kolonie hatten teil an Verbrechen, als Schäfer seine Kolonie ab 1973 dem Militärdiktator Pinochet und dem Geheimdienst DINA zum Foltern und Ermorden von Regimegegnern öffnete. Die meisten Sektenanhänger waren Arbeitssklaven, einige wurden zu Folterern. Sie glaubten Gott zu dienen und den Kommunismus abzuwehren. Ihre Erinnerungen unterscheiden sich dramatisch voneinander. Diese Seiten möchten Betroffene unterstützen, ihre Erinnerungen zusammenzufügen, vielleicht auch zu korrigieren.
"Planet Wissen"
Weder Schläge, Elektroschocks, Psychopharmaka noch Psychoterror konnten sie brechen: Gudrun Müller (74) ist nach 50 Jahren in Paul Schäfers Foltersekte endlich wieder zu Hause.
„Ergreifend“ fand die WDR-Redaktion die Schilderungen von Gudrun Müller, einer wichtigen Zeitzeugin meines Buches „Unser geraubtes Leben“. 50 Jahre stand Gudrun Müller unter dem Einfluß des charismatischen Sektenführers Paul Schäfer, 37 davon verbrachte sie in der Colonia Dignidad in Chile. Jetzt lebt sie in Deutschland.
wdr-Trailer zur Sendung: Hier klicken
Artikel aus der "New York Times" 6.11.2015
“Chilenische Gemeinschaft, einst ein Folterlager, erfindet sich neu für Touristen“
Autor: Pascale Bonnefoy
Villa Baviera, Chile - Claudio Pacheco machte mit seiner Familie einen Ausflug zur Villa Baviera, einem malerischen Bauerndorf in den Ausläufern der Anden. Dort aßen sie eine Auswahl deutscher Gerichte und gewannen ein lebendes Reh bei einer Tombola.
weiter auf englisch hier:
Chilean Community, Once a Site of Torture, Reinvents Itself for Tourists
Neues zur Colonia Dignidad
Aktuelles:
Wolfgang Müller
7.10.1946 -- 30.11.2015
Er wäre gerne Maler geworden, er liebte Farben.
Wolfgang war ein guter, ein lieber, ein liebevoller Mensch, er war freundlich, hilfsbereit und humorvoll.
Schon als kleines Kind wurde er schwer verletzt an Körper und Seele und schließlich zerstört von gewalttätigen, machthungrigen Menschen ohne Reue. Sie benutzten ihn gewissenlos, manipulierten ihn, beuteten ihn aus, vergifteten ihn und trieben ihn in den Tod.
Der Sektenführer Paul Schäfer und seine Führungsclique in der Colonia Dignidad wurden 50 Jahre lang schuldig an Wolfgang Müller. Für Wolfgang gab es keine Wahl und kein Entkommen: Er war zehn, als seine Mutter ihn Schäfer zum sexuellen Missbrauch auslieferte. Er war 15, ein kräftiger, junger Mann, als Schäfer ihn nach Chile entführte. Er war 59, als er 2005 nach Deutschland zurückkehrte und zum ersten Mal ein wenig Freiheit spürte. Aber er war ein gebrochener Mann. Die Vergangenheit verfolgte ihn auch hier. Sein Leben war gezeichnet von körperlichen und seelischen Folgen von Folter, von Zwangsmedikation und Psychoterror. Er litt unter Flashbacks erlebter Gewalt; Schlaganfälle und viele körperliche Folgeschäden machten ihm das Leben zur Qual. Am Montag, den 30. November 2015, starb er an den Folgen eines Herzinfarkts, bis zum Schluss umsorgt von seiner Frau Gudrun Müller, die ihn die letzten 14 Jahre begleitete und selbst in der Colonia Dignidad schwer gelitten hatte.
Nie hat sich einer der Täter bei Wolfgang Müller entschuldigt. Nicht die, die noch in Chile leben. Nicht die, die in Deutschland ein gutes Auskommen haben.
Auch nicht der deutsche Staat, der vieles hätte verhindern können, aber lange nichts tat, sogar zuließ, dass sich Wolfgang und Gudrun und viele andere C.D.-Heimkehrer in Deutschland von dem ernähren mussten, was "Die Tafeln" des Wohlstands für sie übrig ließen.
Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Gudrun Müller, geb. Wagner.
Ulla Fröhling
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Mittwoch, 10. Februar 2016 - 19:28 Uhr
Ich wünsche Ihnen Kraft
Liebe Frau Müller, gerade erst habe ich gelesen, dass Ihr Mann gestorben ist.
Durch Informationen im Internet, im Fernsehen und durch das Buch von Frau Fröhling (der ich heute eine Mail geschrieben habe, da ich nach einer bestimmten Person suche) sind Sie mir als eine sehr sympathische Frau aufgefallen und ich fand es so toll, dass Sie und Ihr Mann das Glück hatten, sich nicht zu verlieren.
Nun lese ich, dass er gestorben ist. Eine sehr, sehr schwere Zeit für Sie und ich wünsche Ihnen ganz viel Kraft und den Mut, jeden weiteren Tag als Geschenk anzusehen.
Conny Schmitt
Dienstag, 26. Januar 2016 - 12:02 Uhr
ein kommentar
ich habe mir heute auf Planet Wissen (WDR)die Reportage über Colonia und Fam. Müller angesehen.
Es ist traurig das Herr Müller nur so kurze Zeit hatte mit seiner Frau aber das Wichtige und Wertvolle ist letztendlich das sie so hoffe ich diese Zeit gemeinsam genießen konnten.
Ich glaube dass jeder einzelne Tag da zu etwas besonderen wird und man intensiver lebt und nicht alles selbstverständlich ist.
Ich wünsche Frau Müller viel viel Kraft dabei ihr Leben ohne ihren Mann zu meistern und die schönen Dinge des Lebens nicht aus den Augen zu verlieren.
Sie haben so viel geschafft, fühlen Sie sich umarmt und gedrückt.
Liebe Grüße von Silke
Dienstag, 5. Januar 2016 - 11:49 Uhr
Liebe zwischen Sektenaussteigern
Hallo Naemi,
vielen Dank für Ihren Eintrag (22.12.15).
Nach meiner Beobachtung und den Berichten einiger Überlebender scheint es am besten zu gelingen, wenn keine Kontakte zum Kult, zur Sekte mehr bestehen. Außen und innen. Eine große Leistung, wenn man jahrzehntelang so geprägt wurde.
Vermutlich kann eine solche Beziehung das große Gefühl der Einsamkeit verringern. Stimmt das?
Viele Grüße, Ulla Fröhling.
Freitag, 1. Januar 2016 - 19:51 Uhr
Dank
Allen, die bisher hier geschrieben haben, danke ich herzlich – auch und besonders im Namen von Gudrun Müller.
Ulla Fröhling
Freitag, 1. Januar 2016 - 19:51 Uhr
Er fehlt sehr
Am 7.12.2015 wurde Wolfgang Müller beerdigt. Gudrun bat mich, die folgenden Worte von ihr hier einzufügen:
„Ich habe einen sehr liebevollen, selbstlosen, freigiebigen Menschen verloren. Er selbst hatte nie Wünsche. Es waren immer die Anderen und ganz besonders ich, an die er dachte. Er war sehr besorgt um mich.
Er sah, wenn es mir nicht gut ging und ich Schmerzen hatte, und hat so lange gesagt, leg dich hin, bis ich es tat. Er fehlt mir sehr.
In Liebe Gudrun.“
5.12.2015
TV-Sendung Die Sekte der Folterer: Deutsche Diplomaten und die Verbrechen der "Colonia Dignidad"
zu mehreren Terminen im Fernsehen:
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ARD: 14.11.16 22:45
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ARD: 15.11.16 4:45
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24: 17.11.16 20:15
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24: 19.11.16 14:15
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24: 22.11.16 19:15
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24: 26.11.16: 9:15
Hoffnungen, die sich erfüllen?
Am 18. Februar startet der Film "Colonia Dignidad -- Es gibt kein Zurück". Schauplatz: die Colonia Dignidad in Chile 1973/4. Vor dem grausamen Alltag dieser deutschen Foltersekte setzt Regisseur Florian Gallenberger eine Liebesgeschichte (Emma Watson und Daniel Brühl) berührend in Szene. Diese fiktive Geschichte hätte so nie stattfinden können. Aber sie gibt dem Film eine emotionale Ebene, schafft Spannung und ein Gegengewicht zu dem Grauen.
So ist meine Hoffnung, dass viele ihn sehen und die Colonia Dignidad einer großen Öffentlichkeit bekannt wird. Denn es gibt noch viele Fragen, unaufgeklärte Morde und offene Rechnungen. Warum nicht Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu einer Aufführung des Films einladen? Zwar ist er nicht verantwortlich für die Taten und Versäumnisse des Auswärtigen Amts und der deutschen Botschaft in Chile unter seinen Vorgängern, aber er könnte aufräumen.
1. "Brisant":
Se Sendung am 6.2.2016, um 17:10, anläßlich des Kino-Starts des Films "Colonia Dignidad -- es gibt kein Zurück" am 18.2.2016: ein Interview mit Ulla Fröhling und Gudrun Müller.
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BeiBeim Dreh in Hamburg: Gudrun mit Interviewer Mathias Marx und Kameramann Thomas Burian
2. "Westart":
Gudrun Müller hat den Film schon gesehen. In der Sendung WestArt sagt sie ihre Meinung dazu.
3. Planet Wissen: Colonia Dignidad -- Gefangen in einer Sekte
SS